Zur Feier des World Pigment Days bekommt ihr heute eine ordentliche Portion Nerdwissen rund um Pigmente von mir, denn ich möchte euch heute mit in die Welt der Lichtechtheit von Pigmenten nehmen. Dazu zeige ich euch hier die Ergebnisse meiner kleinen Lichtechtheitsstudie.
Falls dir der Begriff „Lichtechtheit“ nichts sagt – dazu gibt’s hier auch schon einen Blogpost. Kurz zusammengefasst bedeutet “Lichtechtheit” eines Pigmentes (bzw. eher einer Farbe), wie sehr es sich durch Einfluss von UV-Licht über die Zeit hinweg verändert. Diese Veränderung kann ein Verblassen, Vergrauen, eine Veränderung des Farb- bzw. Untertons oder auch eine Veränderung der Struktur eines Farbauftrages sein. Für gewöhnlich wird die Lichtechtheit mithilfe der Wollskala bzw. von der ASTM in standardisierten Verfahren getestet – beides findet hier natürlich keine Anwendung.
Zunächst einmal der „Versuchsaufbau“, für alle, die sich für die technische Seite hinter den Ergebnissen interessieren: Ich habe 15 Farbswatches von Aquarellfarben auf reinweißem Baumwollpapier angefertigt. Alle Swatches wurden möglichst gleichmäßig ausgeführt, in einem Farbverlauf vom Vollton (oben), über einen Mittelton in der Mitte, bis hin zu einem stark verdünnten Auftrag unten. Die quadratischen Swatches habe ich dann in der Mitte durchgeschnitten und rückseitig beschriftet. Eine Hälfte habe ich in einem verschlossenen Briefumschlag in einem Ordner zwischen anderen Papieren aufbewahrt, sodass sie keinem Licht ausgesetzt sind – ähnlich, wie das auch in einem Sketchbook geschehen würde. Die andere Hälfte habe ich für ein Jahr (ganz genau: vom 1.3.21 bis zum 20.3.22) ins Fenster meines Studios gehängt. Dieses Fenster befindet sich im 1. Stock und ist nach Südosten ausgerichtet, also genau richtig, um zu sehen, was natürliches UV-Licht den Farben anhaben kann. Alle Farbproben wurden oben und unten mit zwei kleinen Tesastreifen direkt auf die (doppelt verglaste) Fensterscheibe geheftet, sodass sie maximaler UV-Belastung bei optimalem Witterungsschutz ausgesetzt sind. In der Regel befindet sich die dem Licht ausgesetzte Seite rechts, die lichtgeschützte Seite links. Leider habe ich nicht bei allen Swatches auf Konsistenz dahingehend geachtet, daher werde ich es dazuschreiben, wenn es bei einer Farbe einmal anders gemacht wurde. Allerdings sind das zwei der Farben, die die größten Verluste erlitten haben, sodass es ohnehin deutlich sichtbar sein sollte.
Vier der untersuchten Farben wurden von großen Firmen hergestellt. Hier haben mich vor allem Farben aus Pigmenten interessiert, die als nicht lichtecht gelten. Daher ist das Ergebnis dieser klitzekleinen Studie auch nicht repräsentativ für die Lichtechtheit der gesamten Range dieser Firmen. Schließt also aus diesen Ergebnissen bitte nicht auf die Qualität der Farben dieser Firmen – ich habe mir aus reinem Forschungsinteresse heraus bewusst die „heiklen“ Fälle ausgesucht:
Zum einen hat mich die Lichtechtheit von Alizarin Crimson interessiert, da ich das Pigment schön finde und sehen wollte, wie meine selbst hergestellte Farbe sich im Vergleich zu Farben großer Hersteller schlägt. Und dann hat mich auch noch Aureolin (Kobaltgelb) interessiert – ihm wird nachgesagt, mit der Zeit zu vergrauen. Da ich versuche, mit möglichst lichtechten Pigmenten zu arbeiten, hatte ich davon selbst kein Pigment hier und daher auch keine Vergleichsmöglichkeit mit einer selbst hergestellten Farbe.
Die weiteren 10 untersuchten Farben stammen alle aus meiner eigenen Herstellung. Neun Pigmenten wurde vom Hersteller eine exzellente Lichtechtheit attestiert – ob dem so ist, hat mich natürlich brennend interessiert. Eine Farbe enthält ein Grünpigment, das mittlerweile nicht mehr hergestellt wird, was wohl an der Lichtechtheit des Pigments liegen soll. Das musste ich doch wirklich selbst einmal nachprüfen!
Doch nun genug der einleitenden Worte – wenden wir uns den Ergebnissen zu.
Wir beginnen etwas ausführlicher mit unseren „Sorgenkindern“ und arbeiten uns zu den erfreulicheren Ergebnissen vor, die nicht so vieler Worte bedürfen:
- Alizarin Crimson (PR83): Auf dem großen Übersichtsbild seht ihr in der vorletzten Reihe ganz links Alizarin Crimson von Schmicke Horadam – hier ist die dem Licht ausgesetzte Seite links, die dunkel gelagerte rechts. Rechts daneben befindet sich die von mir hergestellte Farbe aus Alizarin Crimson Pigment und in der letzten Reihe, direkt unter dem Schmincke Swatch, findet ihr den Farbauftrag mit derselben Farbe von Daniel Smith. Der Farbton von Alizarin Crimson ist ein tiefes, kühles Rot. Denkt an eine frische, saftige Kirsche, in die ihr hineinbeißt und deren frischer Saft auf ein weißes Papier tropft. Das kommt sehr nahe an Alizarin Crimson heran. Da es sich hierbei um ein durch Verlackung hergestelltes Pigment aus einem Pflanzenfarbstoff (der Krappwurzel) handelt, ist es nicht so lichtecht, wie wir es von synthetisch-organischen Pigmenten gewöhnt sind. In meiner kleinen Probe sieht man sehr schön, dass Alizarin generell seinen kühlen Unterton durch UV-Einstrahlung verliert. Alle Farbproben sind deutlich wärmer geworden, außerdem wirkt die Farbe „krisseliger“, ähnlich wie bei einem Foto mit Bildrauschen. Was die Farbstärke anbelangt, gibt es Unterschiede: Vor allem bei den Farbswatches von Schmincke und Daniel Smith sind sehr deutliche Farbverluste zu verzeichnen. Die Bereiche in wässrigem Auftrag sind bei beiden Firmen nicht mehr erkennbar, hier ist nur das weiße Papier übriggeblieben. Der Bereich im Mittelton wurde deutlich heller und fleckiger/streifiger, im Vollton blieb, wie zu erwarten, am meisten der Farbe übrig, aber auch hier ist eine deutliche Aufhellung und Streifigkeit sichtbar. Der Swatch meiner eigenen Farbprobe schneidet etwas besser ab als die Vergleichsproben. Auch hier gibt die stärksten Farbverluste im wässrigen Bereich, allerdings ist an einer schwachen hellrosa Einfärbung noch zu erkennen, wo sich der Farbauftrag befand. Der Mittelton ist noch deutlich sichtbar, wenn auch, wie oben beschrieben, krisseliger und wärmer im Farbton. Gleiches gilt für den Vollton. Ein Ergebnis, das mein kleines Paintmakerherz natürlich freut 😉
- Aureolin (PY40): Ein Pigment, dem nachgesagt wird, mit der Zeit zu vergrauen. Auf diesen Effekt musste ich lange warten – selbst nach einem halben Jahr im Licht hatten die Swatches nur ein wenig Farbstärke eingebüßt, sich aber farblich nicht verändert. Auf dem Übersichtsbild seht ihr unten in der Mitte den Fabswatch aus der Winsor and Newton (W&N) Professional Range, auch hier ist der dem Licht ausgesetzte Teil ausnahmsweise links, der dunkel gelagerte Teil entsprechend rechts zu sehen. Die Reihe darüber ganz rechts befindet sich der Swatch mit Aureolin von Daniel Smith (DS). Bei beiden Farbproben fällt direkt ins Auge, dass sich der Farbton von einem leuchtenden Mittelgelb, das etwas ins kühle tendiert, zu einem Beigeton vergraut und stark aufgehellt hat. Auf der Farbprobe von DS ist noch ein leichter Hauch Gelb im Vollton zu erkennen, bei W&N sogar noch deutlicher. Beide Farben sind ganz unten, im verwässerten Bereich nur noch sehr schwach sichtbar, ein Umstand, der sich bei W&N bis weit in den Mittelton hinein weiter zieht. Etwas besser in Sachen Farbstärke schneidet die Probe von DS ab – hier ist die Abstufung noch deutlich zu erkennen, nur eben in Beige statt Gelb. Beinahe könnte man die dem Licht ausgesetzten Swatchteile mit Buff Titanium verwechseln, wäre da nicht noch der Hauch Gelb im Vollton übrig geblieben. Ich ziehe für mich als Fazit, dass es eine gute Entscheidung war, dieses Pigment nicht anzuschaffen, vor allem, da es wunderbare lichtechte Alternativen gibt.
Kommen wir zu den erfreulicheren zwei Drittel des Experiments, alle folgenden Farben sind von mir hergestellt:
- Sternennacht-Dunkelblau: Ganz unten rechts seht ihr das Blau, mit dem ich meine Sternennacht herstelle. Hier habe ich die Farbe ohne Glitzerpartikel getestet, weil ich nicht wollte, dass das Ergebnis durch sie verfälscht wird. Insgesamt hält sich die Farbe sehr schön, wenn man genau hinsieht, ist ein leichter Farbwechsel von kühl zu etwas wärmer zu erkennen, diese Veränderung ist allerdings recht subtil. Im Voll- und Mittelton haben sich beinahe keine Veränderungen ergeben, je wässriger die Aufmalung, desto deutlicher ist sie auch ausgeblichen. Aber auch in wässrigem Aufstrich ist sie noch deutlich zu erkennen – wir erinnern uns, dass das bei den Alizarins nicht der Fall war. Wer mir schon länger folgt, weiß, dass die Sternennacht eines der Babys ist, bei dem ich die genaue Rezeptur nicht preisgebe – daher hier auch keine Angabe zum Pigmentcode.
Von nun an bewegen wir uns von links oben der Reihe nach durch die Farben hindurch, da es ab hier keine großen Unterschiede mehr in der Lichtechtheit gibt:
- (Nicht näher bezeichnetes Experiment aus) Disazogelb mit Phthalogrün bläulich (PY?? und PG7): Diese Farbe, die dem „Maigrün“ von Schmincke sehr ähnlich sieht, habe ich getestet, da ich ganz zu Anfang meiner Farbenmacherkarriere einmal ein gelbes Pigment ohne Pigmentcode gekauft habe (ein Fehler, aus dem ich gelernt habe!) und nicht genau weiß, ob es sich um die lichtechte(re) Variante oder die weniger lichtechte handelt, außerdem hat mich interessiert, ob Phthalogrün tatsächlich so lichtecht ist, wie ihm nachgesagt wird. Da sich bei diesem Swatch kaum eine Veränderung über die Zeit hinweg ergab, kann ich beides deutlich bestätigen. Im Vergleich zu seinem dunkel gelagerten Zwilling hat der dem Licht ausgesetzte Teil des Swatches einen Hauch an Wärme eingebüßt, was darauf schließen lässt, dass das Gelb ein wenig schwächer geworden ist. Das sieht man aber wirklich nur im direkten Vergleich, wenn man ganz genau hinsieht. Farbstärke und Gleichmäßigkeit haben nicht gelitten.
- Havana (Eisenoxidgelb + Kobaltgrün): Bei diesem Swatch lässt sich selbst bei ganz genauem Betrachten keinerlei Unterschied zwischen den beiden Hälften erkennen. Die herausragende Lichtechtheit der Eisenoxide (bzw. dieses Eisenoxids) und Kobaltfarben wäre hiermit schon einmal bestätigt.
- Grüne Erde (PG23): Auf den ersten Blick erkennt man hier keine Unterschiede zwischen den beiden Hälften, bei genauerem Hinsehen ist der dem Licht ausgesetzte Teil ein Mü wärmer geworden, außerdem ist der wässrige Auftrag im lichtgeschützten Teil ein wenig stärker. Die Unterschiede sind allerdings so gering, dass man sie vernachlässigen kann.
- Quinacridon Rosa (PR122): Ebenso wie bei der Grünen Erde, sind die Veränderungen hier sehr, sehr subtil und gehen in die wärmere Richtung. Wer nun vermutet, dass das auch an einer Vergilbung des Papieres über ein Jahr weg liegen könnte, sei beruhigt, das Papier zeigt keinerlei Farbveränderung, bei keinem der Swatches.
- Nickel Azo Gelb (PY150): Nur geringste Veränderung im wässrigen Auftrag sichtbar, ansonsten nichts – weder in Farbtemperatur, Streifigkeit oder Farbstärke.
- Phthaloblau, gelblich (PB15:3): Auf den ersten Blick wirkt es so, als habe sich hier keinerlei Veränderung ergeben, bei genauerem Hinsehen ist jedoch erkennbar, dass die dem Licht ausgesetzte Seite im hellsten/wässrigsten Bereich einen Hauch heller ist als ihr lichtgeschützter Zwilling, der außerdem einen Ticken kühler im Farbton wirkt.
- Elfenleuchten (PB27, PG8): Entgegen meiner Erwartungen hat sich bei diesem Farbswatch keinerlei Veränderung ergeben. Überhaupt keine. Mein kleines Experiment kann eine mangelhafte Lichtechtheit des nicht mehr produzierten Grünpigments nicht bestätigen. Sehr schade, denn PG8 ist ein wundervolles, tiefdunkles, warmes Tannengrün.
- Venezianisch Rot (PR102): Hier sind sie Veränderungen wieder so subtil, dass man ganz genau hinsehen muss. Die lichtexponierte Seite ist im Unterton ein Mü wärmer als die lichtgeschützte Seite, hinsichtlich Farbstärke oder Gleichmäßigkeit ist keinerlei Veränderung zu sehen.
- Kornblume (PB29, PW4): keinerlei Veränderungen
So, das waren die Ergebnisse meines kleinen Langzeittests. Falls es dich interessiert, wie die Farben, bzw. eine kleine Auswahl davon nach 3 Monaten aussahen, kannst du dir bei @lelles_colors auf Instagram meinen Post vom 3.6.2021 dazu ansehen.
Und falls du dich fragst, weshalb der wässrige Auftrag von Farben generell stärker angegriffen wird als der Vollton – das liegt daran, dass die Pigmente dort nicht in mehreren Schichten übereinander liegen und sich so quasi gegenseitig schützen können, indem sie sich überdecken und sich gegenseitig (stark vereinfacht) „Schatten spenden“. Außerdem ist das schützende Kolloid Gummi Arabicum im wässrigen Auftrag stark verdünnt und umhüllt die Pigmente nicht mehr so stark wie noch im Vollton, der mit weniger Wasser aufgetragen wird. Das sind gleich zwei Faktoren, die zu einer stärkeren Veränderung des Farbauftrages beitragen und daher ein gutes Argument für die Verwendung von (den unbeliebten) Weißpigmenten in der Aquarellmalerei liefern. Man kann eine Farbe zwar mithilfe von Wasser und dem Weiß des Blattes pastelliger wirken lassen, riskiert dann aber potentiell ein stärkeres Verblassen dieser Bereiche.
Damit wäre ich auch schon am Ende meines kleinen Exkurses in die Welt der Lichtechtheit angekommen. Falls du noch Fragen zu dem Thema hast, freue ich mich, von dir zu hören und mit dir über Pigmente abzunerden!
Liebe Grüße,
Nicola
P.S.: Ich freue mich, dass du bis hierher gelesen hast und das soll sich zur Feier des Tages auch lohnen. Unter allen, die unter dem passenden Post auf Instagram (@lelles_colors) einen netten Kommentar hinterlassen und über eine deutsche Postadresse verfügen, verlose ich ein Set der Regenbogen-Glitzer-Mica-Farben, die sich gerade noch in Arbeit befinden. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen, das Los entscheidet über den Gewinner bzw. die Gewinnerin. Versand nur innerhalb Deutschlands. Im Falle eines Gewinnes wirst du von mir angeschrieben und bekommst (sofern du eine dt. Adresse hast) die Farben nach Fertigstellung von mir zugesandt. Kosten entstehen dir natürlich keine, deine Adresse wird weder bekannt- noch weitergegeben und nur zum Versenden des Gewinnes verwendet. Dieses kleine Gewinnspiel steht in keinem Zusammenhang mit Instagram oder dem Mutterkonzern Meta. Falls die Gewinnerin/der Gewinner nicht innerhalb von 7 Tagen auf meine Nachricht antwortet, lose ich neu aus.
Viel Glück!!